Im Ruhrgebiet verwurzelt
Drei Jahre nach der Gründung der damals auf Printmedien spezialisierten Marketing Rhein-Ruhr OHG zog der Betrieb zunächst von der Uferstraße in Gelsenkirchen, nahe dem Stadthafen, einige Kilometer weiter nördlich, um sich im Stadtteil Buer niederzulassen. Das in den 1950er Jahren erbaute, eher unscheinbar wirkende, dreistöckige Gebäude in der Lindenstraße sollte von da an bis zum jetzigen Zeitpunkt die Heimat einer der führenden Marketingdienstleister der Region bleiben. Da das Grundstück jedoch vor kurzer Zeit von einem bekannten Logistikunternehmen gekauft wurde, welches sich entschieden hat, die Immobilie komplett abzureißen, ist es für uns an der Zeit, sich mit einem weinenden und einem lachenden Auge von der gewohnten Arbeitsumgebung zu verabschieden.
Ein Großteil unseres Teams hat hier mehr als 20 Jahre verbracht und das Unternehmen gemeinsam weiterentwickelt. Trotz der diversen Altersstruktur herrschte stets ein familiäres Betriebsklima, geprägt von gegenseitiger Unterstützung und Motivation, um die Wünsche unserer Kunden perfekt umzusetzen. Einerseits blicken wir gerne auf zwei prägende, sehr produktive, aber auch herausfordernde Jahrzehnte in der Lindenstraße zurück. Auf der anderen Seite ist die Zeit nicht spurlos an unserem in die Jahre gekommenen Bürogebäude vorbeigegangen.
In den letzten Jahren hat sich die Werbebranche in vielerlei Hinsicht geändert. Das Internet ist mit Komponenten wie Suchmaschinenanfragen, Homepages, Social-Media-Präsenzen, öffentlichen Datenbanken, digitalen Marktplätzen, Videoclips und Werbeanzeigen noch essenzieller für das Vermarkten von verschiedensten Produkten und Dienstleistungen geworden. Die Möglichkeiten und Facetten, die Aufmerksamkeit der Zielgruppe auf das eigene Unternehmen zu lenken, um diese möglichst zu Kunden zu konvertieren, sind gestiegen. Außerdem hat die Konkurrenz im Bereich der Marketingdienstleistung zugenommen, wodurch sich der Anspruch der Nachfrager zusätzlich erhöht. Um diesem Anspruch gegenüber unseren Kunden weiterhin gerecht zu werden und die bestmögliche Servicequalität zu bieten, sind ein offenes Arbeitsumfeld sowie geeignete Arbeitsplätze mit moderner technischer Ausstattung unerlässlich. Deshalb freuen wir uns trotz des üblichen Umzugsstresses auf den anstehenden Tapetenwechsel und die Einrichtung unserer neuen Büros.
Die bewegte Geschichte des neuen Standorts
Der neue Standort befindet sich nur wenige Autominuten entfernt auf dem Gelände der ehemaligen „Zeche Westerholt“. Das 37 Hektar große Grundstück der Zeche liegt auf der Grenze der beiden Ruhrgebietsstadtteile Herten-Westerholt und Gelsenkirchen-Hassel. Die Geschichte des früheren Steinkohlebergwerks beginnt am Anfang des 20. Jahrhunderts, als der preußische Staat mehrere Grubenfelder im südlichen Münsterland und dem nördlichen Ruhrgebiet erwarb und dort Zechen bauen ließ, um bei der Kohleversorgung nicht mehr von privaten Bergwerksbetrieben abhängig zu sein. In einem dieser Felder begannen ab 1907 die Abteufarbeiten der Förderschachtanlagen Westerholt I und II. Zusätzlich wurden zahlreiche prunkvolle Gebäude im Stil der Gründerzeit aus rotem Backstein mit weiß abgesetzten Gesimsen und geschweiften Giebeln gebaut, die zu einem großen Teil noch heute erhalten sind.
Für die Arbeiter des Bergwerks wurde in direkter Nachbarschaft eine Arbeitersiedlung geschaffen, weshalb man auf dem Zechengelände im Jahr 1909 zudem eine Ziegelei errichtete, die der Deckung des angestiegenen Baumaterialbedarfs diente. Ein Jahr später wurde erstmals die Zeche und zwei Jahre später die zur Verarbeitung der Steinkohle gebaute Kokerei in Betrieb genommen. In der Zeit des ersten Weltkrieges (1914-1918) wurden mehrere Optimierungen und Modernisierungen vorgenommen, sodass das Bergwerk infolgedessen im Jahr 1920 bereits jährlich mehr als 1 Mio. Tonnen Kohle förderte. Im zweiten Weltkrieg wurden große Teile der Anlage, insbesondere der Förderturm über dem Schacht II immens geschädigt, weshalb dieser abgerissen und neu aufgebaut werden musste. Im Jahr 1952 wurde auf dem westlich angrenzenden Gelände die Zentralkokerei Hassel mit 160 Öfen errichtet, die ein Jahr später in Betrieb genommen wurde und die alte Kokerei ersetzte, die man daraufhin entfernte. Auf dem Grundstück der abgerissenen Kokerei wurde ein dritter Zentralförderschacht angelegt.
Die ebenfalls in Gelsenkirchen-Hassel beheimatete Zeche Bergmannsglück wurde im Jahr 1960 mithilfe eines Durchschlags unterirdisch mit der Zeche Westerholt verbunden. Die beiden Bergwerke formten von da an eine Verbundgemeinschaft. Anschließende effizienzorientierte Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen führten zu einer jährlichen Fördermenge von bis zu 3,05 Millionen Tonnen Kohle. 1968 übernahm die Ruhrkohle AG das Bergwerk Westerholt, bis es 30 Jahre später zu einer Eingliederung in die Deutsche Steinkohle AG kam. Aufgrund des Abwärtstrends der deutschen Montanindustrie, der schon Ende der 1950er Jahre mit der ersten Kohlekrise begann, subventionierte der Staat die Kohlewirtschaft 1974 zunächst durch Aufschläge auf den Strompreis und ab 1995 aus der Staatskasse. Durch den beschlossene Kohleausstieg der Bundesrepublik bis spätestens 2018, wurde in Westerholt am 19. Dezember 2008 der letzte Wagen Kohle ans Tageslicht gefördert.
Umgestaltung des Zechengeländes
Die Schachtanlagen der Zeche sind bis heute erhalten geblieben und wurden vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe zum Denkmal des Monats Juni 2010 gewählt. Das Gelände der Zentralkokerei Hassel wurde vor einigen Jahren bereits in einen weitläufigen Stadtteilpark mit Aussichtsplattformen und Sportanlagen umgewandelt. Das restliche Grundstück der ehemaligen Zeche wird von den Städten Gelsenkirchen und Herten sowie der RAG Montan Immobilien der Ruhrkohle AG partnerschaftlich entwickelt und vermarktet.
Es ist geplant, auf dem ehemaligen Zechenareal ein Quartier mit Gastronomie, Wohn- und Gewerbeeinheiten einzurichten. Darüber hinaus soll das Gelände in Zukunft zahlreiche Freizeitangebote, Grünflächen sowie Fahrrad- und Fußgängerverbindungen zwischen den umliegenden Stadtteilen Herten-Bertlich, Herten-Westerholt sowie Gelsenkirchen-Hassel bieten. Wichtig ist der Entwicklungsgesellschaft, dass der typische Zechencharme erhalten bleibt und die bewegte Vergangenheit des Geländes, die stellvertretend für den damaligen wirtschaftlichen Aufschwung und die Identität des Ruhrgebiets steht, auch Jahrzehnte nach Schließung des Bergwerks nicht in Vergessenheit gerät. Einige Anlagen und Gebäude werden entfernt, da deren Erhaltung nicht sinnvoll oder möglich ist und von ihnen teilweise eine Gefahr durch Schadstoffbelastung ausgeht. Bei vielen anderen Gebäuden hingegen werden Kernsanierungen und Renovierungen vorgenommen, die das originale Erscheinungsbild dennoch nur geringfügig verändern sollen, um Besucher der Anlage an die Jahrzehnte zu erinnern, in denen die Bergleute mit harter Arbeit aus hunderten Metern Tiefe das „schwarze Gold“ ans Tageslicht förderten.
Die erhaltenen Elemente der Zecheninfrastruktur sind Ausgangspunkte für die gegenwärtige und zukünftige Gestaltung des Geländes. Beispielhaft für die nachhaltige Nutzung ist das ehemalige Gesundheitshaus des Bergwerks Westerholt, das von unserer Werbeagentur für die Eigennutzung erworben wurde. Wo einst körperlich schwer arbeitende Bergleute im Stangerbad therapiert oder von Ärzten behandelt worden sind, wird unser Team in naher Zukunft auf digitalen und analogen Wegen individuell zugeschnittene Marketingkonzepte entwickeln. Zunächst werden sich unsere Mitarbeiter übergangsweise im Nachbargebäude einrichten, bis das neue Zuhause unserer Agentur komplett saniert und einzugsbereit ist.
Strukturwandel und neue Perspektiven
Die goldene Ära des Bergbaus ist in Deutschland seit vielen Jahren vorbei. Der Bedarf nach Ruhrgebietskohle von der Industrie und privaten Haushalten wurde schon ab Ende der 1950er Jahre schrittweise durch Erdöl und kostengünstigere Importkohle aus Drittstaaten wie Kanada, den USA oder China ersetzt. Zudem sank die Koksnachfrage der Stahlindustrie, was zusammen mit anderen Einflussfaktoren zum stetigen Rückgang der gesamten deutschen Montanindustrie führte. Insbesondere im sogenannten Kohlenpott hinterließen die Schließungen der Zechen und Kokereien ein wirtschaftliches und strukturelles Loch. Der Bergbau und alle damit zusammenhängenden Prozesse sorgten Jahrzehnte lang für den finanziellen Wohlstand und die Identität einer ganzen Region.
Allein in Gelsenkirchen und Herten fielen durch das Zechensterben ca. 60.000 Arbeitsplätze weg, die kaum ersetzt werden konnten. Zum Leidwesen der Bürger wurde von Seiten der Politik lange versäumt, andere Branchen im Ruhrgebiet zu etablieren und neue Erwerbsmöglichkeiten zu schaffen. Darüber hinaus wurden die Nahverkehrsinfrastruktur, das Bildungswesen und die Landschaftspflege vernachlässigt, was die Strukturprobleme zusätzlich verstärkte. In den 1980er Jahre nahm der Strukturwandel langsam Fahrt auf, als sich viele kleine Unternehmen, unter anderem aus Bereichen der Forschung und Technik, im Ballungsraum niederließen. In den 1990er Jahren kamen mit dem Boom des World Wide Webs viele Telekommunikations- und Internetfirmen hinzu.
Das Ruhrgebiet hat seither einen eindrucksvollen Wandel vom Kohlerevier zum Standort zahlreicher Dienstleister, insbesondere aus dem Handels-, Forschungs-, Verkehrs- und Digitalisierungssektor durchlaufen. Trotz heutiger positiver Aspekte wie der guten Verkehrsanbindung, dem breiten Kulturangebot oder der hohen Dichte an Hochschulen und qualifizierten Arbeitskräften gilt die Region im bundesweiten Vergleich immer noch als eher strukturschwach. Viele Städte sind hoch verschuldet, haben eine hohe Arbeitslosenquote und ein Problem mit leerstehenden verwahrlosten Immobilien. Projekte wie der Umbau des Zechenareals mit dem Potenzial zu einer der attraktivsten Gewerbestandorte im nördlichen Ruhrgebiet sind daher enorm wichtig für die Weiterentwicklung und Reputation der Region. Rund 1000 zukunftssichere Arbeitsplätze sollen auf dem Gelände, welches bald auch unsere Werbeagentur beheimaten wird, entstehen.
Durch die Nutzung der bereits vorhandenen Wasserstoffleitungen, dem flexiblen Einsatz von Windstrom und der Installation von Photovoltaik- oder Solarzellen bieten sich zudem viele Möglichkeiten für eine nachhaltige Energieversorgung. Im Vordergrund stehen die Erhaltung von Kulturgut und Bergbautradition sowie deren Umfunktionierung zu zentralen Elementen bei der Entstehung eines hybriden Quartiers, das den Bürgern sowohl einen wirtschaftlichen als auch einen soziokulturellen Mehrwert bietet. Wir als Marketing Rhein-Ruhr freuen uns, in Zukunft Teil dieses Quartiers zu sein und einen Beitrag zur positiven Entwicklung unserer Heimatregion beizutragen.